maurischer Herrensitz in Brandenburg

Lost Places ohne Geheimnis und mit Traurigkeitswert

Zwischen Rheinsberg und Neuruppin liegt versteckt im Wald ein besonders eindrucksvolles Beispiel des orientalischen Historismus – das Gut Gentzrode, das 1857 bis 1880 nach Entwürfen von Carl von Diebitsch, Martin Gropius, Heino Schmieden und Gustav Meyer errichtet wurde.

Seit 1992 steht das Ensemble leer, auch der Erwerb durch einen türkischen Investor konnte keine Wende bringen. Die Sorge, dass das Gut aufgegeben sein soll, wird in der Presse laut, das Denkmalamt hat jetzt ein Gutachten in Auftrag gegeben, um Sicherungs- und Sanierungskosten zu ermitteln.
Es ist ein Traum im Wald, der zum Albtraum wurde. Das Drama läuft seit nunmehr fast dreißig Jahren, seit die Rote Armee abzog, die das Gelände bis 1993 genutzt hatte. Auch die Wehrmacht hatte hier seit 1934 unter anderem das Depot für Rommels Afrika-Korps.
Seit der Wende gab es immer wieder neue Pläne, neue Akteure, der eine idealistischer oder größenwahnsinniger als der andere – seitdem aber nichts unternommen wurde.

Die weitläufige Gutsanlage mit ihren zahlreichen Bauten und Parkanlage nördlich von Neuruppin zwischen Molchow und der L16 hat ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 1855 erwarb Johann Christian Gentz das Grundstück auf den „Kahlen Bergen“ und begann 1856 gemeinsam mit seinem Sohn, Ludwig Alexander, mit dem Anlegen einer Baumschule.
Ein monumentaler Kornspeicher mit Kaminzimmer ¹ folgte, den der Orientalistik-Architekt Carl von Diebitsch 1861 mit einem mittelalterlich anmutenden Rundturm am Nordgiebel versah. Dieser ist mit seinem Ziegelschmuck repräsentativ durchgestaltet und wurde von der Familie als Aussichtspunkt sowie als Sommer- und Gästewohnung genutzt.

Im Erdgeschoss hat sich bis heute die schmuckvolle Ausstattung mit Gewölbe, Kamin und Fußbodenbelag in Teilen erhalten und legt immer noch eindrucksvoll Zeugnis über die reiche Gestaltung ihrer Entstehungszeit ab.
Nicht lange nach der Errichtung des Speichers entschloss Ludwig Alexander Gentz sich zum Umzug auf das Gut und trieb die Errichtung eines Herrenhauses nebst Park mit Mausoleum voran.

Nachdem erste Pläne für ein Herrenhaus von Hermann von der Hude, Walter Kyllmann und Adolf Heyden durch Gentz verworfen wurden, entstand 1875/76 ein zweigeschossiger Ziegelbau im Stil eines orientalisierenden Historismus nach Entwürfen von Martin Gropius (1824 Berlin – 1880 Berlin) und Heino Schmieden (1835 – 1913) aus Berlin.
Der malerische Bau zeichnet sich besonders durch die lockere Gruppierung der Baukörper und den reichen Fassadenschmuck durch verschiedenfarbige Ziegel, Formsteine, Terrakotten und graphische Muster in Putz (als Ritzung oder Bemalung) aus. Im Bereich der Drei-Fenster-Gruppe der westlichen Hauptansichtsseite befand sich ursprünglich eine Terrasse mit Freitreppe. Während sich der Grundriss weitgehend unverändert erhalten hat, sind von der Ausstattung nur noch Rudimente, wie Gewölbe, Stuck, Kamin, Fußbodenbeläge und einige wenige Türen, erhalten.

Bereits kurz nach Fertigstellung von Gutshaus und Park nach Entwürfen von Gustav Meyer im Jahr 1880 war die Familie Gentz finanziell überfordert und musste das Gut veräußern. Nach mehrfachen Besitzerwechseln ging die Anlage im Jahr 1934 in den Besitz der Wehrmacht über, die es als Schießplatz und Munitionslager nutzte. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgte die Weiternutzung durch die Rote Armee bis 1992. Seitdem stehen die Gebäude leer.

Die im Kern von 1856 bis 1880 entstandene Gutsanlage hat sich zunächst durch die militärischen Nutzungsanforderungen und dann durch die mit langem Leerstand und Alleinlage verbundenen Schäden stark verändert. Einzelne Gebäude wurden abgerissen oder müssen inzwischen als unrettbar eingestuft werden.
Nichts desto trotz lassen sich die Einzigartigkeit und der Zeugniswert der überkommenen Bauten bis heute eindrucksvoll ablesen.
Die Schäden sind nicht von der Hand zu weisen, eine Erhaltung scheint mit Blick auf den nach wie vor guten Zustand der Gebäudehüllen mit dem verspielten und farbenfrohen Architekturschmuck jedoch durchaus möglich – wenn man nur will.

Das Gelände ist Privatgrundstück. Ich hatte die Begehung mit mehreren Architekten gemacht.

Nachtrag: ein Video 14 Jahre später (nicht von mir) aufgenommen:


Zusammengefasst

Kategorie: Herrenhaus
Bundesland: Brandenburg/Germany
Baujahr: 1875–1876
Verlassen seit: 1992
Status: Leerstand
Gesamtfläche:
Denkmalschutz: Ja
Architekt: siehe Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege
Bauherr: Ludwig Alexander Gentz

Erkundet: 2011
Foto-Copyright: URBAN ARTefakte
Text-Quellen: Kunsthistoriker, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege

Gut Gentzrode bei Neuruppin


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